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OANA MARIA POP
Active/Passive

Durch ihr mehrteiliges Projekt analysiert Oana Maria Pop, wie sprachliche Strukturen in Medienberichten über Gewalt gegen Frauen kollektive Wahrnehmungen (ver)formen. Sie hinterfragt, wie über Trauma gesprochen wird und in welcher Weise mediale Diskurse zur Unsichtbarmachung oder Verharmlosung beitragen – und unser Verständnis von Sicherheit prägen.

Ausgangspunkt ihrer Recherche sind Polizeiberichte und Presseartikel zu 20 Fällen extremer Gewalt gegen Frauen in Berlin. Pop untersucht darin die vorherrschende Verwendung passiver Satzstrukturen, Euphemismen und Metaphern, die das Ausmaß der Gewalt sprachlich entkräften, Empathie umlenken und Schuld verschleiern. In einem installativen Setting visualisiert Pop ihre Analyse: Fotografien, Zeichnungen und Gemälde fügen sich zu einer kritischen Untersuchung sprachlicher Spuren zusammen. Wie in einer forensischen Anordnung überlagern sich Aussagen, Orte, Schlagzeilen und individuelle Stimmen. Die Stadt wird zum Schauplatz einer strukturellen Tragödie.

Ein zentrales Motiv bildet ein Silikonband. Weich, dehnbar, irritierend körperlich durchzieht es die Arbeiten wie ein roter Faden: mal als Anspielung auf reißerische Pressetitel, mal als körperliches Fragment, das die Objektifizierung weiblicher Körper veranschaulicht. In den fotografischen Arbeiten Areas and titles legt die Künstlerin Silikonstreifen über Abbildungen jener Orte, an denen die Gewalttaten begangen wurden: scheinbar banale Hauseingänge, Straßenecken, Parkanlagen werden mit unlesbaren Überschriften überlagert. Das Silikon wird dabei zum symbolischen Eingriff ins Bild – als Narbe, als Verletzung, als Rückverweis auf eine unsichtbare Präsenz, die den Körper – und seine Abwesenheit – spürbar macht. Die Zeichnung Serie Streets and homes verwandelt das urbane Berlin in ein visuelles Geflecht aus Sprache, Erinnerung und Spurensuche. Risse im Asphalt, journalistische Floskeln und entpolitisierte Medienzitate fügen sich hier zu einer unbehaglichen Kartografie der Gewalt.

Mit ihrer „Archäologie der Sprache“ legt Oana Maria Pop die subtilen Mechanismen offen, mit denen Sprache Gewalt verschleiert und gesellschaftlich normalisiert. Die euphemisierende Wortwahl medialer Berichterstattung wird in Pops Malereien durch Titel wie Ehrgefühl und Familiendrama kritisch gespiegelt – Begriffe, die brutale Begebenheiten in ein verharmlosendes Vokabular kleiden. Dabei übersetzt die Künstlerin sprachliche Verzerrung in abstrakte Bildwelten, in denen Schmerz fragmentiert und entkörperlicht wird.

Zwei miteinander verbundene Arbeiten bilden den emotionalen Resonanzraum des Projekts: Interviews und Portraits versammeln Stimmen von Berlinerinnen – einige engagiert in Initiativen wie #Keinemehr oder Café Pink, andere anonym. In Textil und Fotografie nähert sich Oana Maria Pop der Frage, wie Gewalt erzählt werden kann, ohne sie zu wiederholen. Pops künstlerische Geste ist dabei eine des Zurückgebens: ein Raum, in dem Sprache, Kunst und Körper wieder zueinander finden – als Werkzeuge des Widerstands, des Miteinanderseins und der Selbstbehauptung.

Text: Ioana Mandeal

Oana Maria Pop (geb. 1989) ist eine in Rumänien ansässige Mixed-Media-Künstlerin, die sich in ihren Arbeiten mit der menschlichen Form, ihrer Entwicklung und ihrer Verflechtung mit der Natur, der Erde und dem Kosmos beschäftigt. Ausgehend von wissenschaftlichen und feministischen Perspektiven untersucht sie, wie kulturelle Narrative den Körper formen und zugleich einschränken.

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